Ameise Anton sitzt auf einem Tisch fest. Dabei würde er eigentlich gerne den Nachbartisch erkunden. Auf einen Abstieg zum Fußboden hat Anton jedoch keine Lust.
Glücklicherweise befinden sich in diesem Raum schier unbegrenzt viele Holzbauklötzchen. Jedes dieser Holzklötzchen ist 10 cm lang. Anton überlegt sich, wie weit er wohl über die Tischkante hinwegkommen würde, wenn er die Holzklötzchen geschickt übereinander stapelt.
Eine funktionierende Baustrategie, bei der das Konstrukt niemals zusammenbricht, kennt er bereits. Im obigen Bild beginnt man dabei von oben mit dem Bauen. Das funktioniert exemplarisch folgendermaßen:
•2 Blöcke: Der erste Block ragt genau zur Hälfte (\frac{1}{2}) über den zweiten Block hinaus.
•3 Blöcke: Der erste Block ragt zur Hälfte (\frac{1}{2}) über den zweiten Block hinaus. Der zweite Block ragt zu einem Viertel (\frac{1}{4}) über den dritten Block hinaus.
•4 Blöcke: Der erste Block ragt zur Hälfte (\frac{1}{2}) über den zweiten Block hinaus. Der zweite ragt zu einem Viertel (\frac{1}{4}) über den dritten Block hinaus. Der dritte Block ragt zu einem Sechstel (\frac{1}{6}) über den vierten Block hinaus.
Jeder hinzukommende Block wird also einfach entsprechend unter dem bisherigen Konstrukt platziert. Der unterste Block soll am Ende genau bündig mit der Tischkante liegen.
Wie weit kommt Anton mit dieser Methode über die Tischkante, wenn ihm jemand eine solche Brücke baut?
(Anton ist so leicht, dass sein Gewicht vernachlässigt werden kann.)
Lösung
Auch wenn es auf den ersten Blick unglaublich klingt: Anton würde mit dieser Methode unendlich weit über die Tischkante kommen!
Dabei spielt die Länge der Bauklötzchen keine Rolle. Für den Beweis arbeiten wir also nicht mit der tatsächlichen Länge von 10 cm, sondern mit der allgemein gehaltenen Einheit “Block(länge)”.
Betrachten wir also den zu untersuchenden Gesamtüberhang L, der sich als Summe der einzelnen Überhänge ergibt. (Da der unterste Stein nichts zum Überhang beiträgt und theoretisch weggelassen werden kann, ignorieren wir diesen.)
Damit erhalten wird mit n Bausteinen den Gesamtüberhang
Jetzt bleibt nur noch zu zeigen, dass diese unendlich vielen Summanden zusammen wirklich auch unendlich groß werden, da die Summanden (also die Teilüberhänge) ja doch ziemlich schnell kleiner werden.
Dazu klammern wir einfachheitshalber einmal den Faktor \frac{1}{2} aus und erhalten
Diese unendliche Summe in der Klammer nennt man die harmonische Reihe. Um die Unendlichkeit zu zeigen, beweisen wir die Unendlichkeit einer kleineren Hilfssumme \tilde{L}< L, bei der jeder Summand entweder gleich bleibt oder kleiner gemacht wurde (indem der Nenner vergrößert wurde). Dann wäre nämlich automatisch auch unsere größere ursprüngliche Summe unendlich. Die benötigte Hilfssumme lautet
Wir erhalten also unendlich viele Pakete mit der Summe \frac{1}{2}. Dafür müssen wir zwar für jedes neue Paket doppelt so viele Summanden benutzen wie für das vorige, aber diese gehen uns glücklicherweise nie aus. Damit gilt salopp geschrieben
L > \tilde{L} = \infty,
das heißt, der Überhang wird tatsächlich unendlich groß (wenn auch sehr langsam).
Das folgende Bild von Prof. Dr. Edmund Weitz veranschaulicht die Situation sehr schön.
Die Lösung passt nicht zu Aufgabe. Entsprechend der Aufgabe sind die Blöcke als geometrische Reihe mit Basis 1/2 angeordnet: 1/2+1/4+1/8+1/16… = 1/(1-1/2) = 2
Da der erste Block nicht gezählt wird ist die Brücke daher (asymptotisch) 10cm lang.
Die Lösung mit der harmonischen Reihe enthält Werte wie 1/6, die in der Aufgabe nicht vorkommen.
Vielen Dank für den Hinweis! Da habe ich im Text statt 1/6 versehentlich 1/8 geschrieben. Habe die Stelle korrigiert, sodass es nun auch zum Bild passt und wieder harmonisch aussieht ;D.
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